Einführung in den Katalog „zeichen-HAFT“, 2004
Reinhard Hanke, der 1951 in Bad Oeynhausen geboren wurde, studierte Malerei und Zeichnung an der Kunsthochschule Braunschweig sowie Psychologie und Philosophie an der dortigen Technischen Universität. Er ist ein Künstler, der in seinen Bildern bewusst philosophische, naturwissenschaftliche und ästhetische Verbindungen sucht und diese auch findet. Ursprünglich zeichnete er in den 70er und 80er Jahren surreal anmutende Szenen, oft in seriellen Reihungen. Dunkel gehaltene, häufig figurative Motive voll emotionaler Ausdrucksstärke stehen neben technoiden Objektwiedergaben. Bereits damals kam es Reinhard Hanke darauf an, hinter die Oberfläche seiner Motive sehen zu wollen.
Seine neueren ausgestellten Arbeiten stammen aus dem Zeitraum von 1999 bis 2004. Diese meist hellen Papierarbeiten haben überwiegend die Maße von 50 ≈ 70 cm und 70 ≈ 100 cm. Hanke setzt in den letzten zwei Jahren bei der Realisierung seiner Werke verstärkt den Computerdruck ein. Danach werden die Drucke von ihm mit Tempera, Kohle, Graphit oder anderen Mal- und Zeichenmitteln überarbeitet. Träger seiner Bildinformationen sind Raster und Zahlen. Diese eher rationalen Ausgangsbedingungen seiner Arbeiten werden durch das weitere emotionale Überarbeiten künstlerisch umgeformt.
Raster und Zahlen prägen unsere heutige gesellschaftliche Ordnung. Diese beiden Komponenten werden von ihm künstlerisch bearbeitet als eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Der lebensbestimmende Realismus unseres Zahlensystems vom Ausweis bis zu unseren Konten und Geheimzahlen, der in ausgedruckter Form an sich eine indifferente, zugleich aber auch uns prägende Größe darstellt, wird durch seine Überarbeitungen mit individuellen Chiffren verändert und damit neu bewertet. Diese Veränderungen, ob bei Zahlen oder Streifenrastern, lassen den Betrachter über dieses Phänomen reflektieren.
Im Spannungsfeld von schematisierter Reihung und persönlicher Bewertung sowie Akzentuierung durch sein Eingreifen werden Arbeiten geschaffen, die den individuellen künstlerischen Ansatz über die beliebige mechanische Folge setzt. Diese Herausarbeitung des künstlerischen Akzents in unserer heutigen Massengesellschaft ist ein Anliegen von Reinhard Hanke.
Seine Werke haben keine Titel. Sie sind oft auf Karton aufgebracht und werden durch rechteckiges oder kreisrundes Acrylglas überlagert. Die Computerdrucke sind durch eine sparsam verwandte Farbigkeit von Schwarz und Rot gekennzeichnet. Die Reduktion auf zeichenhafte Elemente sind ein weiteres Merkmal seiner Bilder und Objekte.
Gerade die in ihrer Strenge aufgebauten Arbeiten bringen je nach Standort verschiedene Deutungen. Dies ist allein schon durch das Licht- Schattenspiel bei den räumlichen Reliefwerken gegeben. Dadurch wird deutlich, dass von ein und demselben Objekt unterschiedliche Wahrnehmungen ausgehen können. Damit wird die Eindeutigkeit von Objekten in Frage gestellt beziehungsweise nachgewiesen, dass es verschiedene, sich nicht widersprechende Aussagen von Wahrheit an einem Objekt geben kann. Dies kann der Betrachter bei einer Reihe von Arbeiten Reinhard Hankes nachvollziehen.
Alexander von Knorre, 2004