„Ganzheit“, Februar 1978
Beitrag zum Katalog „R. Hanke“, 1979
Ein Mensch, wie wir ihn kennen und lieben. Ein Mensch, von dem wir vielleicht auch etwas in uns wiederfinden. Vom Gesicht wohlgenährt – möglicherweise allerdings etwas feist -, immer auf der Suche nach Neuem – oder unbemerkt gierig nach anderem schielend -, freundlich lächelnd – wenn auch mit gemein-hartem Unterton -, ein Denker – der sein Denken wohl in die für ihn richtigen Bahnen zu lenken weiß. Ein Mensch mit großen Händen, fleißig und strebsam – die allerdings etwas gummiartig verlaufen und von denen die Krallen versteckt zu sehen sind. Wahrscheinlich ein netter Herr mit Stiernacken. Diese Persönlichkeit, die wohl einen in sich geschlossenen Charakter haben mochte, ist zerstückelt. Nicht durch Folter oder Terror – nein, feiner. Die Schaltzentrale Kopf lebt allerdings noch – nur auf einem Blatt Papier. Mit zwei Nägeln an einem Körper festgesteckt – wohl mehr zufällig an diesem. Dadurch, daß alles aufeinander liegt, ist es austauschbar geworden. Der Körper ist zur Zeichnung verkrüppelt. Wie ein Plakat festgeklebt, für irgendetwas möglicherweise werbend, entkörperlicht. Die Hände sind abgehackt. Trotzdem wirken sie rein, fast steril. Es kann ja auch kein Blut geflossen sein, denn sie sind nur aus Gummi. Schlechtestenfalls Handschuhe, die sich jeder hat überstreifen können, so dehnbar wie die geworden sind. Nur die Mauer, an der alles klebt, die ist Mauer geblieben, die hat sich weder von ihrer Form noch von der Materialstruktur verändert. Die Mauer bleibt fest, die hat sich nicht gewandelt und wird sich wohl auch nicht wandeln.
Der Themenbereich, aus dem der „Schachbauer“ stammte, ist auch Grundlage für diese Arbeit: der Mensch in seiner Verstrickung mit sich oder seiner Umwelt. Das Verfahren des Bildes im Bilde, wie es sich inder 1. Fassung von „Bitte“ schon zeigte, die vor „Ganzheit“ entstanden ist, ist auch wieder aufgenommen. Allerdings haben die verschiedenen „Bilder“, „Bildebenen“ hier eine mehr aus dem formalen Zusammenhang entwickelte Bedeutung. Die unterschiedlichen Formen transportieren die verschiedenen Bedeutungen durch sich wesentlich genauer mit, die Ebene des symbolischen Zusammenhanges tritt stärker in den Hintergrund. In „Bitte“ 1. Fassung war das Hintere, das Hintergründige, nähere Erläuterung des Vorderen, in „Ganzheit“ sind die Ebenen andere Aspekte des gleichen Inhalts, die sich dadurch zwangsläufig in anderer Form äußern müssen. Das Bild ist auf weitergehende Art vielschichtiger geworden.
r. hanke, 1979